Verwaltungsdigitalisierung in Niedersachsen: Rechnungshof sieht Erfolg gefährdet

Verwaltungsdigitalisierung in Niedersachsen: Rechnungshof sieht Erfolg gefährdet

Verwaltungsdigitalisierung in Niedersachsen: Rechnungshof sieht Erfolg gefährdet

Der Niedersächsische Landesrechnungshof (LRH) hat heute mit der Beratenden Äußerung „Verwaltungsdigitalisierung“ einen Sachstandsbericht, Hinweise auf Schwachstellen und Empfehlungen für eine beschleunigte Umsetzung vorgelegt. „Aktuell sehen wir den Erfolg der Verwaltungsdigitalisierung in Niedersachsen als gefährdet an – ohne eine zeitnahe Gesamtsteuerung droht ein unwirtschaftlicher und nicht zu beherrschender digitaler Flickenteppich“, erklärte Präsidentin Dr. Sandra von Klaeden im Niedersächsischen Landtag.

„Der LRH verkennt ausdrücklich nicht die vorhandenen Fortschritte sowie das besondere Engagement der Akteure im Programm Digitale Verwaltung Niedersachsen und in den Fachministerien. Wir beabsichtigen mit dieser Beratenden Äußerung, einen Beitrag für eine breite und intensive Diskussion über das weitere Vorgehen zur Verwaltungsdigitalisierung zu leisten, sowohl in den Ministerien als auch in den parlamentarischen Gremien“, so Präsidentin Dr. Sandra von Klaeden weiter.

Nach dem Onlinezugangsgesetz des Bundes muss flächendeckend für eine Vielzahl von Verwaltungsleistungen ab dem 01.01.2023 ein digitaler Zugangskanal für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in die Verwaltung bestehen. Für eine umfassende Digitalisierung ist es darüber hinaus erforderlich, die dann elektronisch vorliegenden Daten auch verwaltungsintern vollständig elektronisch weiterzuverarbeiten.

Erst dieser Schritt wird zu einer leistungsfähigeren und wirtschaftlichen Verwaltung führen. Die Landesregierung hat zur Umsetzung unter anderem das Programm „Digitale Verwaltung in Niedersachsen“ (DVN) aufgelegt. Ziel des Programms ist es, bis zum 01.07.2021 zentrale Grundkomponenten, so genannte Basisdienste, bereitzustellen. Weiterhin ist beabsichtigt, Vorgehensmodelle als Blaupausen für die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung zu stellen. Hierdurch soll es den Verwaltungsbereichen ermöglicht werden, ihre Verwaltungsleistungen mit Unterstützung durch das Programm DVN online anzubieten.

 

Erfolg der Verwaltungsdigitalisierung gefährdet

Auf der Grundlage von Prüfungserkenntnissen gelangte der LRH zu der Überzeugung, dass die gesetzlichen Ziele aktuell kaum noch zu erreichen sind. Der Erfolg der Verwaltungsdigitalisierung ist insgesamt als gefährdet einzuschätzen, sofern die Landesregierung nicht zielgerichtet umsteuert. Zusätzliche interne Digitalisierungsanstrengungen sind jetzt erforderlich. „Der Digitalisierungsprozess betrifft generell jede Verwaltungsaufgabe und wird die Verwaltungsabläufe in allen Behörden nachhaltig prägen. Deshalb ist die begonnene Verwaltungsdigitalisierung eine wesentliche Aufgabe des Landes und der Verwaltung. Ihr muss daher eine noch höhere Priorität eingeräumt werden“, erläuterte der Vizepräsident und zuständige Abteilungsleiter Thomas Senftleben.

 

Finanzierung und Gesamtsteuerung

Als wesentlichen Befund seiner Prüfungen stellte der LRH fest, dass kein Gesamt-Überblick über die erforderlichen Maßnahmen und deren Kosten besteht.

Mit Sorge betrachtet der LRH dabei die bisher nicht vollumfänglich berücksichtigten Haushaltsbedarfe. Derzeit stehen große Summen an Haushaltsmitteln für die Digitalisierungsmaßnahmen zur Verfügung. Diese werden aus Sicht des LRH aber bei Weitem nicht ausreichen. Für eine solide Finanzplanung sollte die Landesregierung einen Gesamtüberblick über sämtliche Bedarfe für die Verwaltungsdigitalisierung darstellen und die Finanzierung sicherstellen.

Auch fand der LRH insgesamt keine hinreichende ressortübergreifende Umsetzungs- und Steuerungsstruktur für die Verwaltungsdigitalisierung vor. Der LRH sieht den Bedarf für eine Gesamtsteuerung, die deutlich über die bestehenden IT-Organisationsstrukturen (Niedersächsischer IT-Planungsrat, IT-Board, ISMS-Board und Gremien des DVN: Lenkungskreis, Steuerungskreis und OZG-Board) hinausgeht. Die dafür erforderliche Kompetenz zur Bündelung, Koordination und Entscheidung fehlt bisher. Viele entscheidende Fragen für die Landes-IT werden bisher nur in Ressortstrukturen bearbeitet.

Dies sieht der LRH kritisch, weil vielfältige Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Aufgaben, Prozessen und Verfahren der Ressorts bestehen, die auch übergreifend betrachtet werden müssen. Dies erfordert, dass die Gremien- und Entscheidungsstrukturen insgesamt fortentwickelt werden. Herkömmliche Ressortstrukturen werden den hohen Anforderungen der Verwaltungsdigitalisierung nicht gerecht. Die Digitalisierung der Prozesse muss an den Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen ausgerichtet werden. Dies ist auch der Kerngedanke des OZG.

Der LRH schlägt hierfür ein neu zu bestimmendes hochrangiges Gremium vor, das über die wesentlichen Fragen der Verwaltungsdigitalisierung auch in den Ministerien mit höherer Verbindlichkeit entscheidet. Das neu einzurichtende Gremium sollte über weitgehende Eingriffsmöglichkeiten, auch in Digitalisierungsangelegenheiten der Fachressorts, verfügen, sofern diese Fragen Auswirkungen auf den Gesamtkomplex haben.

 

Weiter zeigt der LRH einzelne zentrale Herausforderungen auf:

  • Das Programm DVN hängt in vielen Bereichen deutlich hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück.
  • Die Personalausstattung für Digitalisierungsvorhaben ist nicht ausreichend.
  • Viele bisher in den unterschiedlichen Verwaltungsbereichen eingesetzten Fachverfahren müssen für die Anbindung an die Basisdienste ertüchtigt oder ersetzt werden. Hierfür fehlen ein Überblick, Umsetzungskonzepte und die finanzielle Vorsorge.
  • Die Verwaltungsbereiche haben sich noch nicht oder nur unzureichend auf die anstehenden Digitalisierungsaufgaben vorbereitet.