Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eröffnen Biometrie Evaluations Zentrum
Von der Grenzkontrolle bis zum Bezahlen per Smartphone: Biometrische Systeme sind eine wesentliche Methode zur Authentifizierung von Benutzerinnen und Benutzern. Die fortschreitende Digitalisierung und die Automatisierung der Verfahren erhöhen die Bedeutung der biometrischen Systeme weiter. Zugleich steigen die Anforderungen an Verlässlichkeit und Sicherheit. Um biometrische Systeme zu verbessern und sicherer zu machen, haben das Institut für Sicherheitsforschung (IFS) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in den vergangenen drei Jahren gemeinsam das Biometrie Evaluations Zentrum (BEZ) aufgebaut.
Viele Passagiere, die mit dem Flugzeug in die Europäische Union ein- oder aus ihr ausreisen, kennen diese Situation: Zuerst müssen sie während einer automatisierten Kontrolle an einem so genannten eGate ihren Reisepass auflegen, der elektronisch gelesen wird. Im nächsten Schritt wird ein Foto gemacht, welches das System in seinem neuronalen Netz sekundenschnell mit dem digitalen Lichtbild aus dem Dokument vergleicht. Erkennt es eine Übereinstimmung und verifiziert Passagierin oder Passagier, öffnet sich das Gate.
Dasselbe Prinzip ist mit dem Einsatz von Smartphones in immer mehr Bereichen unseres Lebens zum Alltagswerkzeug geworden. Anstelle von PINs und Passwörtern ist die einfache und schnelle Authentisierung über den eigenen Fingerabdruck oder das Gesicht der Nutzerin oder des Nutzers immer beliebter geworden. Damit schalten wir das Smartphone frei und authentifizieren uns gegenüber Apps für z. B. Shopping-, Onlinebanking- oder eGovernment-Anwendungen. Mit dem steigenden Schadenspotenzial solcher Anwendungen steigen auch die Anforderungen an die Biometrie bezüglich Zuverlässigkeit und Überwindungssicherheit zum Schutz vor Missbrauch.
Hier zeigt sich die besondere Herausforderung dieser Technologie: Ob zur Zertifizierung der Sicherheit oder zur Entwicklung neuer Sensoren und Verfahren, bei jeder Änderung von Soft- oder Hardware muss ein biometrisches System stets neu mit möglichst vielen Menschen und möglichst umfangreichen Angriffstests evaluiert werden. Je höher dabei die Sicherheitsanforderungen, desto mehr muss auch getestet werden. Dies war bisher ein großer Hemmschuh für Sicherheitsbehörden und Forschungsinstitute gleichermaßen, da kaum Möglichkeiten für solche Evaluationen vorhanden sind.
Mit dem Aufbau des Biometrie Evaluations Zentrums und dem Projekt „BIOLAB“ haben sich die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zusammengetan, um diese Herausforderung gemeinsam ganzheitlich anzugehen. Ein kontinuierlicher Evaluationsbetrieb soll Untersuchungen an biometrischen Systemen, auch im hoheitlichen Anwendungsbereich, und angewandte Forschung unter einem Dach ermöglichen und damit eine direkte Brücke zwischen den Anforderungen aus der Praxis und neuen Entwicklungen zur Verbesserung der Biometrie bauen.
Im BEZ stehen u.a. mehrere eGates, die vom BSI regelmäßig evaluiert werden. Eines davon kann flexibel um neue Biometrie- und Fälschungserkennungstechnologien der Forscherinnen und Forscher der H-BRS erweitert und mit den anderen verglichen werden. Mit einer von der H-BRS entwickelten Sensortechnologie können sie etwa feststellen, ob es sich um Haut oder ein anderes Material handelt. Auch werden neue 3D-Kameras auf ihre Eignung zur Verifikation von Gesichtern und insbesondere zur Fälschungserkennung untersucht. Ein direkter Vergleich mit dem Stand der Technik ermöglicht schnellere und bessere Fortschritte der Sicherheitstechnologien.
Einzigartig und damit wichtig für die sichere Authentifizierung eines Menschen ist darüber hinaus dessen Fingerabdruck. Die Biometrie-Expertinnen und -Experten entwickeln in dem Projekt „3D-Finger“ (das im April dieses Jahres vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als Projekt des Monats gewählt wurde) ein Gerät, das dreidimensionale Fingerabdrücke aufnehmen kann. Weil es dabei auch tieferliegende Hautstrukturen registriert, können die 3D-Abdrücke nur noch mit sehr hohem Aufwand gefälscht werden. Zentrale Aspekte bei der Authentifizierung sind neben der Überwindungssicherheit der Systeme immer auch deren Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit. Eine vollständige Analyse der gescannten Fingerabdrücke führt das neue System innerhalb von 1,6 Sekunden durch. In dieser Zeit werden Datenmengen von bis zu acht Gigabyte bewegt – das ist die Dimension einer DVD mit einem 90-minütigen Spielfilm.
Die Zusammenarbeit von H-BRS und BSI ist ungewöhnlich und zukunftsweisend zugleich. „Das Biometrie Evaluations Zentrum ist ein wichtiges Beispiel für eine strategische Allianz der Hochschule mit dem BSI sowie Gesellschaft und Wirtschaft, um die fortschreitende Digitalisierung sicher zu gestalten“, sagt Hochschulpräsident Hartmut Ihne.
„Das Biometrie Evaluations Zentrum zeigt, was möglich ist, wenn Forschung und Praxis zusammengebracht werden. Die wissenschaftliche Exzellenz der H-BRS trifft hier auf die Experten der Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes, die die vielfältigen Anforderungen deutscher, europäischer und internationaler Behörden und Partner im Blick hat. Hoheitliche Systeme bedürfen einer intensiven Überprüfung und Absicherung. Sie müssen höchsten Standards gerecht werden. Hier wird deutlich, dass Informationssicherheit die Voraussetzung für eine sichere und erfolgreiche Digitalisierung ist“, so BSI-Präsident Arne Schönbohm.
Die Zusammenarbeit zwischen H-BRS und BSI, aber auch mit mehreren Herstellern biometrischer Systeme, ist bereits seit dem Jahr 2009 durch mehrere Forschungs- und Entwicklungsprojekte erprobt. Das BSI hat dabei für alle Aspekte des Datenschutzes und der sicheren Datenverarbeitung die Verantwortung übernommen und ermöglicht so ein besonders hohes Maß an Konformität gemäß der Datenschutz-Grundverordnung und Vertraulichkeit im BEZ.
Ziel ist es, dass sich das BEZ als herstellerunabhängige Instanz für Anwender, Hersteller und Zertifizierer etabliert. Wichtig dabei wird außerdem die Verzahnung von Forschung und Lehre sowie die Beteiligung der Öffentlichkeit sein. „Über Projekte und Abschlussarbeiten bis hin zu Promotionen soll es eine enge Verbindung von Forschung und Lehre geben“, sagt H-BRS-Projektleiter Professor Norbert Jung. „Wir haben hier einen sehr kurzen Weg zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung.“ Wenn neue Fragestellungen und Anforderungen entstehen, können sie im BEZ schnell aufgegriffen werden.
Probandinnen und Probanden gesucht!
Die H-BRS und das BSI suchen aktuell bis zu 150 Frauen und Männer, die das Biometrie-Evaluationsprojekt auf die Probe stellen wollen. Dafür können konkrete Einzeltermine (für die Langzeittests auch gerne mehrmals pro Woche) vereinbart werden, die zum einen eine hohe Planbarkeit sowie die Einhaltung der Corona-Maßnahmen garantieren. Die Tests selbst dauern nur wenige Minuten. Das Engagement wird vergütet. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: evaluation.bez@h-brs.de.
Quelle Pressemeldung von BSI